Euthanasie in Rottenmünster

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Im Jahr 1935 schrieb der Rottenmünster-Langzeitpatient Frater Makarius Haller aus dem Kloster Beuron in seinem Buch "Das alte Reichsstift Rottenmünster" die folgenden Worte, die die Bedrohung der Patienten Rottenmünsters ahnen lassen: "Es gibt heutzutage Leute, die unseren Kranken das Lebensrecht absprechen wollen; doch hier in Rottenmünster glaubt man noch an das Gebot des Gottessohnes".

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Mahnmal für NS-Opfer in Rottenmünster am 23. September 2001

Wie die planmäßige Vernichtung der Juden steht die Tötung von Hilfsbedürftigen und Wehrlosen im Rahmen der so genannten T4-Euthanasie-Aktion für die Barbarei des Dritten Reiches. Aus der Anstalt Rottenmünster wurden  in den Jahren 1939 und 1940 im Rahmen der T4-Aktion insgesamt 347 Kranke verlegt, es wird angenommen, dass davon etwa 300 getötet wurden. Die Krankenzahl in der Anstalt Rottenmünster sinkt von 770 Patienten Anfang 1939 auf nur noch 423. Die meisten verlegten Patienten dürften in der Vernichtungsanstalt Grafeneck bei Münsingen auf der Schwäbischen Alb umgekommen sein, hier wurden über 10.000 Kranke ermordet.

Die erste Verlegung von Kranken aus Rottenmünster erfolgte am 4. September 1939, 100 Patienten (40 Männer und 60 Frauen) wurden per Omnibus nach Grafeneck verlegt. Im Jahr 1940 erfolgten weitere Verlegungen:

03.02.1940 45 Patienten
16.09.1940 71 Patienten
19.09.1940 85 Patienten
25.09.1940 46 Patienten

Im Jahr 1941 wird die T4-Aktion auf Grund öffentlichen Drucks eingestellt, in einzelnen Anstalten geht das Töten aber versteckt weiter.

Unter dem ärztlichen Direktor Dr. Wrede wurde in Rottenmünster Widerstand gegen die T4- Aktion geleistet. Dr. Wrede manipulierte Krankenakten und tat alles dafür, dass Kranke von Rottenmünster formal nicht unter die Euthanasierichtlinien der braunen Mörder fielen. Er tarnte Kranke als Arbeiter und richtete ein Nervensanatorium als Tarneinrichtung ein. Viele Kranke wurden als Pensionäre in die 1940 eingerichtete "Heilstätte Rottenmünster" aufgenommen. Dr. Wrede rettete etwa 150 Kranke vor dem sicheren Tod in den nationalsozialistischen Tötungsanstalten. Unterstützt wurde Dr. Wrede von zwei eingeweihten Ordensschwestern und von seinem Oberarzt Dr. Karl Eha.

Im Jahr 1998 wird den Opfern des Nationalsozialismus ein Mahnmal mit der folgenden Inschrift gewidmet: "Wir trauern um die Opfer der nationalsozialistischen Diktatur, Krieg, Terror und Gewalt 1939 bis 1945. Sie mahnen uns Frieden zu suchen und den Nächsten zu achten. Für heute bleiben uns: Glaube, Hoffnung, Liebe".

Quellenangaben:     Frater Makarius Haller, Das alte Reichsstift Rottenmünster
      Hans Josef Birner, 100 Jahre im Dienst für Menschen
      Dr. W. Hecht, Rottweil 1802-1970