Das Kapuzinerkloster am 16. Mai 2010

Aus Rottweiler Bilder
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Der Innenausbau des ehemaligen Kapuzinerklosters in Rottweil macht Fortschritte, die Restaurationsarbeiten laufen auf Hochtouren. So gilt es, den historischen Putz und das Mauerwerk aus der Klosterzeit zu sichern und die Stuckdecke im Sonnensaal auf Vordermann zu bringen.

Philipp Jung kennt im ehemaligen Kapuzinerkloster inzwischen jeden Winkel: Der Restaurator legt seit Monaten Farbflächen aus der Klosterzeit frei, konserviert Putzreste und sichert das Mauerwerk. Neben der Lupe sind Skalpelle, Spritzen und Kanülen seine Werkzeuge. Gerätschaften, die normalerweise nur Mediziner in die Hände nehmen, aber bei diesem 350 Jahre alten Patienten aus Stein und Holz ist ebenfalls äußerstes Fingerspitzengefühl gefragt. In wochenlanger Kleinarbeit hat Jung gerade eine Wand der ehemaligen Klosterkirche von einem Gipsputz aus den 1920er Jahren befreit. Zum Vorschein kamen Überbleibsel einer Wandmalerei aus der frühen Klosterzeit. "Das war bisher die größte Überraschung bei meiner Arbeit. Damit hatte an dieser Stelle niemand gerechnet", berichtet Jung. Nur Fachleute können die dunklen Flecken als Reste von Blättern und Ranken deuten, die vor über 300 Jahren Mönche zur Verschönerung ihres Klosters hinterlassen haben. An manchen Stellen hat Jung zehn übereinanderliegende Farbschichten identifiziert � allein aus den gut 150 Jahren, in denen das Gebäude als Kloster diente.

Ist der Putz freigelegt, geht für Jung die Arbeit erst richtig los. Häufig hat sich der alte Putz vom Mauerwerk gelöst und droht abzuplatzen. Dann füllt der Restaurator die Hohlräume mit einem Kalkmörtel auf, wie ihn bereits die Mönche benutzten. Manchmal sind die auszubessernden Stellen so winzig, dass Jung zu Spritzen greift, die er in der Apotheke oder per Internet direkt von Medizinausstattern bezieht. Augenmaß sei auch beim Nachmischen des historischen Mörtels notwendig. Um so nah wie möglich an das Vorbild aus dem 17. Jahrhundert zu kommen, klappert Philipp Jung regelmäßig Kiesgruben nach passendem Baumaterial ab. Wo genau er auf seiner Suche nach Kalk und Sand für den Kapuziner fündig geworden ist, mag er aber nicht verraten: "Das ist das Berufsgeheimnis eines jeden Restaurators".

Jung geht es bei seiner Arbeit darum, das zu erhalten, was noch vorhanden ist. "Verlorenes wiederherzustellen und das Gesamtbild zu beschönigen ist nicht meine Aufgabe", betont der Restaurator. Daher wird der Kapuziner künftig auch die Narben seiner 350-jährigen Geschichte offen zeigen. Immer wieder stößt Jung bei seiner Arbeit auf Zerstörungen: So wurden ohne Rücksicht Löcher in den Putz aus der Klosterzeit gehauen oder die Gesimse der Rundfenster an der Fidelis-Kapelle abgeschlagen, in die Wand des ehemaligen Kirchenschiffs wurden Balkenlöcher gebrochen, um Zwischendecken einzuziehen. Aber selbst diese Spuren sind teilweise über 100 Jahre alt und zeugen von der wechselvollen Geschichte des Gebäudes und bleiben daher ebenso erhalten wie die Fragmente der Bemalung, etwa der Flügel des Heiligen Geists, der ehemals über der Kanzel schwebte und später hinter einer Badewanne verschwand. Insgesamt 18 solcher "Fenster in die Vergangenheit" wird es im Kapuziner nach der Fertigstellung geben, der Gang durch das künftige Mehrgenerationenhaus wird so zur Zeitreise für jeden Besucher.

Nicht ganz so alt wie das Erbe der Kapuziner, aber nicht minder sanierungsbedürftig ist die Stuckdecke im Sonnensaal: "Decken in einem so schlechten Zustand bekommen wir selten zu Gesicht", sagt Stuckrestaurateur Oliver Klein. In der Vergangenheit wurden Fehlstellen nur sehr grob mit Gips ausgebessert, nun gilt es, diese Unebenheiten wieder zu entfernen und kaputte Stuckteile zu ersetzen. Zuvor wurde die Decke aufwendig gesichert und neu mit dem Untergrund verklebt. Doch wer zu den Handwerkern auf die Arbeitsbühne knapp unter der Stuckdecke steigt, erkennt, wie krumm diese auch nach den Sicherungsmaßnahmen ist, ahnt dass der Sonnensaal auch künftig seinen ganz eigenen Charme haben wird. "Wasserwaage und Winkel können wir hier getrost zu Hause lassen", sagt Klein mit einem Augenzwinkern. Das gilt wohl auch für die anderen Restauratoren im Kapuziner, wie etwa den Holzrestaurateur, der sich in den nächsten Wochen den Holzvertäfelungen im Refektorium und der Empore des Sonnensaals annehmen wird.

Der Kapuziner am 16. Mai 2010
Der Kapuziner am 16. Mai 2010
Der Kapuziner am 16. Mai 2010
Der Kapuziner am 16. Mai 2010
Der Kapuziner am 16. Mai 2010
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